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Glyphosat und Krebs: Warum unterscheiden sich die Einstufungen durch IARC und EFSA?

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Kontext - Glyphosat ist ein vielverwendetes Herbizid. IARC und EFSA haben kürzlich beurteilt ob es beim Menschen Krebs erregt und sind zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen.

Was erklärt eine solche Diskrepanz zwischen den Einstufungen von Glyphosat durch IARC und EFSA? 

Dies ist eine zuverlässige Synthese und Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlichen Konsensberichts. Für die vollständige Liste der Quellen, Beziehen sich auf die Referenzen.

Neuestes Update: 9 September 2016

Einleitung

Vor kurzem wurde das Herbizid Glyphosat im Hinblick auf seine mögliche menschliche Karzinogenität von zwei Organisationen bewertet: der Internationalen Agentur für (IARC), das der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugeordnet ist, und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) der Europäischen Union. 

Während die IARC Glyphosat in Klasse 2A als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" einstufte, stellte es für die EFSA kein Krebsrisiko dar.  

Dieser Unterschied in der Klassifizierung veranlasste eine öffentliche Debatte unter Wissenschaftlern und zwischen den beiden Institutionen. Die vorliegende Synthese verschafft Überblick über diese Unterschiede. 

Was ist der Unterschied zwischen «Gefährdungspotenzial» und «Risiko»?

Hinsichtlich der rechtlichen Einstufung bezieht sich "Gefährdungspotenzial" auf die wesentlichen Eigenschaften eines Stoffes (physikalische, chemische, biologische) – seine Schadensfähigkeit - während "Risiko" auch die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der Belastung durch den als gefährlich betrachteten Stoff berücksichtigt.  

Dies kann zu unterschiedlichen Einstufungen führen je nachdem ob das Risiko als ein Faktor für die Klassifizierung einbezogen wird oder nicht. 

Eine einfache Erklärung dieser Konzepte (auf Englisch) bietet dieses GreenFacts-Video: https://www.youtube.com/watch?v=PZmNZi8bon8  

Was ist Glyphosat und wie wird es verwendet?

Glyphosat ist der gebräuchliche Name für N-(phosphonomethyl) Glycin (IUPAC), ein Herbizid, das unter einem seiner Markennamen 'Roundup' bekannt wurde, jetzt aber auch in einer Vielzahl von anderen Produkten, Rezepturen und Marken auf dem Markt ist.  

Glyphosat wird im Allgemeinen in Sprühanwendungen gegen gesprossene einjährige, zwei- und mehrjährige Unkräuter in allen Kulturen verwendet. Es kann auf den Boden gesprüht werden, bevor mit dem Einpflanzen von Obstpflanzen, Zierpflanzen, Bäumen, Baumschulenpflanzen etc. begonnen wird. Es kann auch vor der Ernte auf Kulturen gesprüht werden, um die von Getreide und Ölsaaten zu trocknen. 

Was war die Grundlage für die IARC-Einstufung von Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend für den Menschen»?

Die Monographien des Internationalen Krebsforschungszentrums (IARC) basieren auf der systematischen Zusammenstellung und Überprüfung aller öffentlich verfügbaren und relevanten Studien durch unabhängige Sachverständige.  

Um zu seinem Schluss über Glyphosat zu kommen, hat die IARC etwa 1000 Studien überprüft und 269 in der Monographie zitiert, einschließlich experimenteller Studien zu sowohl "reinem" Glyphosat als auch zu Glyphosat-basierten Rezepturen. Diese Studien ergaben global ähnliche und statistisch signifikante Anstiege einer bestimmten Art von menschlichem Krebs: Non-Hodgkin-Lymphom.  

Auf Grund der experimentellen Studien zu "reinem" Glyphosat kam die IARC-Monographie1 zum Schluss, dass die Beweise für die Entstehung von Krebs bei Versuchstieren "ausreichten'' und die Beweise für Genschäden "stark" waren. 

Die Arbeitsgruppe kam zu dem gleichen Schluss für Glyphosat und seine Rezepturen bezüglich ihrer Gefährdungseinstufung als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen". Die IARC erklärte weiter, dass die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung von Faktoren wie Art und Ausmaß der Belastung sowie der Stärke des Effektes des Stoffes abhängt. 

Auf welcher Grundlage hat EFSA Glyphosat nicht als menschliches Karzinogen eingestuft?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beginnt den Bewertungsvorgang mit einer Begutachtung der verfügbaren Informationen durch einen der Mitgliedstaaten, in diesem Fall Deutschland. Dann folgt eine umfangreiche Begutachtung durch alle anderen Mitgliedstaaten und der Task Force der Industrie, die die anfängliche Beurteilung, sowie eine öffentliche Anhörung lieferte. Die gesamte Dokumentation steht auf der EFSA-Webseite zur Verfügung.  

In Bezug auf Karzinogenität konzentrierte sich die EFSA-Bewertung auf Glyphosat (und nicht seine Rezepturen) und berücksichtigte alle verfügbaren Informationen, einschließlich des IARC-Berichts2. Die EFSA berücksichtigt nicht nur die Substanz selbst, sondern auch die Art und Weise wie sie verwendet wird und wie Menschen ihr ausgesetzt sein könnten. 

Aufgrund der Bewertung der repräsentativen Verwendungen von Glyphosat3 schließt EFSA, dass Glyphosat wahrscheinlich keine krebserregende Gefahr für Menschen darstellt. Die vorliegenden Erkenntnisse unterstützen keine Einstufung in Bezug auf sein karzinogenes Potenzial nach der europäischen Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Bei repräsentativen Verwendungen, die sich auf konventionelle Kulturpflanzen beschränkten, sind chronische oder akute Risiken für die Verbraucher nicht ermittelt worden. 

Die EFSA ist der Auffassung, dass die in einigen Glyphosat-basierten Rezepturen beobachteten genotoxischen Effekte auf andere Bestandteile oder "Beistoffe" zurückzuführen sind, und dass bestimmte Glyphosat-basierte Rezepturen eine höhere Toxizität als der Wirkstoff Glyphosat aufweisen. Die EFSA schlägt daher vor, dass die Toxizität jeder Pestizid-Rezeptur und insbesondere ihre mögliche genotoxische Wirkung weiter bewertet wird. 

Wie erklären die Organisationen die unterschiedliche Einstufung?

Bezüglich der Kriterien für die Einstufung ist die Bewertung der IARC-Monographie eine Gefährdungseinstufung, wie die Agentur selbst betont. Sie weist auf die Stichhaltigkeit der Beweise hin, dass Glyphosat Krebs verursachen kann. Die IARC erklärt weiter, dass die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung von Faktoren wie Art und Ausmaß der Belastung sowie der Stärke des Effektes des Stoffes abhängt. 

Laut EFSA4 rührt der Hauptunterschied zwischen den Bewertungen daher, dass der IARC-Bericht sowohl Glyphosat untersuchte als auch die Rezepturen, die es enthalten, und zwar unabhängig von ihrer Zusammensetzung. Der Bewertungsansatz, dem die EFSA folgte, bewertet jede einzelne chemische Substanz und jede vermarktete Mischung separat, und daher betrachtete die EFSA nur den Wirkstoff Glyphosat.  

Laut IARC5 stützen sich viele Regulierungsbehörden hauptsächlich auf Industriedaten aus toxikologischen Untersuchungen, die nicht öffentlich verfügbar sind. Im Gegensatz dazu umfasste die Glyphosatbewertung der IARC-Arbeitsgruppe alle öffentlich verfügbaren, einschlägigen Beweise für die unabhängige wissenschaftliche Überprüfung, einschließlich aller Industriestudien, die diese Kriterien erfüllten. Die IARC schloss Daten nicht ein, die für eine angemessene Bewertung nicht detailliert genug waren, wie dies etwa bei einigen Industriestudien über Krebs bei Versuchstieren der Fall war. 

Die EFSA ist der Ansicht, dass sie insgesamt mehr Beweise als die IARC bewertet hat, einschließlich zusätzlicher wichtiger Studien. Die EFSA wird der Europäischen Kommission empfehlen, die fortgesetzte Nutzung als Pestizid in der EU zuzulassen. Die EFSA hob jedoch Bedenken in Bezug auf einige Informationen hervor, die vom Regelungsrahmen benötigt werden aber die noch fehlten. 

Werden diese wissenschaftlichen Meinungsverschiedenheiten über Glyphosat beigelegt werden?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Schlussfolgerungen aus der IARC-Monographie zu Glyphosat noch nicht formell akzeptiert und eine Sondersitzung über Pestizidrückstände im Mai 2016 wird dieses Thema6 behandeln.  

Im Bemühen wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten zu klären, schlug die EFSA gemäß ihrer Prinzipien der Offenheit und Transparenz der IARC Anfang des Jahres 2016 ein Treffen vor, um die unterschiedlichen Beweise und die verschiedenen Methoden, die beide Organisationen verwendet haben, zu diskutieren.  

Ein Briefwechsel zwischen den Direktoren der beiden Institutionen zeigte jedoch, dass dies nicht stattfinden konnte7.  

Referenzen:
1  https://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-09.pdf
2 www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/4302 
3  www.efsa.europa.eu/sites/default/files/corporate_publications/files/efsaexplainsglyphosate151112en_1.pdf
4  www.efsa.europa.eu/sites/default/files/4302_glyphosate_complementary.pdf
5  www.iarc.fr/en/media-centre/iarcnews/pdf/Q&A_Glyphosate.pdf
6 www.who.int/foodsafety/areas_work/chemical-risks/call_for_data_for_2016_JMPR_May_final_1.pdf?ua=1 
7  www.esa.europa.eu/sites/default/files/Letter_from_Dr_Wild_to_Bernhard_Url_160212.pdf

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