Kontext - In der Bevölkerung steigt die Besorgnis über mögliche toxische Wirkungen von Schadstoffmischungen (in den Medien oft als "Cocktail-Effekte" bezeichnet).
Menschen und Ökosysteme sind tagtäglich einer sehr komplexen Mischung chemischer Substanzen ausgesetzt, deren Zusammensetzung sich ständig ändert. In den allermeisten Risikobewertungen werden jedoch nur einzelne chemische Stoffe berücksichtigt und es fehlen allgemein anwendbare Leitlinien dafür, wann und wie Bewertungen für Schadstoffmischungen durchgeführt werden sollten.
Dies ist eine treue Zusammenfassung der führenden Berichts, der im 2012 durch den Wissenschaftlicher Ausschuss Gesundheit und Umweltrisiken der Europäischen
Kommission (SCHER) und Wissenschaftlicher Ausschuss Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken (SCENIHR) veröffentlicht wurde: "
Schadstoffe in einer Mischung können gemeinsam auf die gleiche Art und Weise wirken, miteinander in Wechselwirkung treten oder ganz unabhängig wirken.
Zwei Fälle sollten betrachtet werden:
Substanzen mit ähnlicher Wirkungsweise
Wenn Schadstoffe ähnliche Wirkungsweisen haben, d. h. ihre schädlichen Auswirkungen durch ähnliche Ereignisketten hervorgerufen werden, kann ihre Konzentration addiert werden, um ihr Zusammenwirken vorherzusagen. Konzentrationen können vermutlich auch addiert werden, wenn sie so niedrig sind, dass die Stoffe einzeln genommen keine merklichen Effekte hätten. In einigen seltenen spezifischen Fällen wurden antagonistische Effekte beobachtet (die Gesamtwirkung war geringer als die Summe der Einzelwirkungen), in anderen synergistische Effekte (die Gesamtwirkung war größer als die Summe der einzelnen Bestandteile vermuten ließ), aber im Allgemeinen ist die Dosisaddierung ein vernünftiger und schützender Standardansatz.
Substanzen mit verschiedenen Wirkungsweisen
Bei Mischungen, die aus chemischen Stoffen mit unterschiedlichen Wirkungsweisen bestehen, gibt es gute Belege dafür, dass die Wirkungen stärker sind als jene der einzelnen Bestandteile. Die jetzigen Sicherheitsmargen, die bei der Risikobewertung von einzelnen chemischen Stoffen angewandt werden, könnten ungenügend sein, um die Gesamtwirkungen aller tatsächlich möglichen Mischungen zu berücksichtigen.
Wechselwirkungen zwischen Schadstoffen treten üblicherweise bei mittleren oder hohen Dosen auf (im Verhältnis zu den niedrigsten Dosen bei den Wirkungen auftreten). Bei niedrigen Dosen sind Wechselwirkungen entweder sehr unwahrscheinlich oder nicht schädlich
Für Expositionen gegenüber Mischungen von unabhängig voneinander wirkenden Stoffen, in denen die Mengen der einzelnen Stoffe jeweils unter ihrer Wirkungsgrenze liegen, lautet die Stellungnahme der Wissenschaftlichen Ausschüsse, dass gesundheitliche Auswirkungen sehr unwahrscheinlich sind und dass keine überzeugenden Beweise auf solche Auswirkungen deuten. Falls - wie bei vielen Stoffen - die Wirkungsweise unbekannt ist, sollte die Methode der Dosis- oder Konzentrationsaddierung einer separaten Bewertung der Stoffe vorgezogen werden. Die Vorhersage möglicher Wechselwirkungen benötigt ein Expertenurteil und muss daher von Fall zu Fall erfolgen.
Eine spezifische Risikobewertung für chemische Mischungen ist in der Tat erforderlich, um Risiken nicht zu unterschätzen was bei der jetzigen Vorgehensweise, die jeden chemischen Stoff separat betrachtet passieren könnte.
Wenn die Menge der einzelnen Bestandteile unter ihrer jeweiligen Wirkungsgrenze liegt, wird kein erheblicher Schaden verursacht, so die jetzige Beweislage, es sei denn die Bestandteile der Mischung haben eine ähnliche Wirkungsweise.
Endokrinal störend wirkende, chemische Stoffe (besonders jene, die Geschlechtshormone beeinträchtigen) werden oft im Zusammenhang mit chemischen Mischungen erwähnt. In der Tat haben diese schon bei relativ niedrigen Konzentrationen im Körper Auswirkungen. Da die in Menschen gefundenen Konzentrationen noch niedriger sind, ist eine Wirkung dieser chemischen Mischungen auf diese Hormone unwahrscheinlich.
Die allgemeinen Prinzipien der Risikobewertung von chemischen Stoffmischungen gelten auch für die Bewertung von Auswirkungen auf die Umwelt. Wie beim Menschen, können Schadstoffe in ähnlicher oder unterschiedlicher Weise wirken, und können manchmal synergistisch miteinander in Interaktion treten. Um Risiken zu bewerten, bedarf es ein Verständnis der Ökologie, der Wechselwirkungen zwischen Arten und ihrer Umwelt, sowie der indirekten Auswirkungen. Folglich sind Verbesserung des aktuellen Wissens und der Methoden für die ökologische Risikobewertung von chemischen Stoffen unter realistischen Bedingungen erforderlich.
Eine wichtige Wissenslücke ist das mangelnde Wissen darüber, wo, wie häufig und in welchem Ausmaß Menschen und die Umwelt bestimmten chemischen Mischungen ausgesetzt sind und wie sich die Exposition im Laufe eines Menschenlebens ändern kann.
Für viele chemische Stoffe ist nicht gut bekannt wie sie im Körper wirken. Wechselwirkungen von chemischen Stoffen in Mischungen sind, besonders was langfristige Effekte angeht, auch schwierig vorherzusehen. Weitere Forschung ist nötig, um Kriterien zu bestimmen, welche die Wechselwirkungen vorhersagen könnten.
Bei schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt ist das Problem sogar noch komplexer. Ein Wissen über alle möglichen Wirkungsweisen in komplexen biologischen Artengemeinschaften ist (falls überhaupt) schwer zu erreichen und ökologisch relevante Auswirkungen (Endpunkte) sind im allgemeinen weiter gefächert und weniger spezifisch (z. B. auf spezifische Organe usw.) als beim Menschen.
In Hinblick auf die fast unendliche Zahl der möglichen Kombinationen chemischer Stoffe, denen Menschen und andere Lebewesen ausgesetzt sind, empfehlen die Wissenschaftlichen Ausschüsse mehrere Kriterien, um Bewertungen auf potenziell bedenklichen Mischungen zu konzentrieren.
SCHER, SCCS, SCENIHR, Opinion on the Toxicity and Assessment of Chemical Mixtures, 2012.
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