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Belastung durch mehrere „chemische Gemische“: Verfahren zur Bewertung von Risiken für Mensch und Ökologie

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Kontext - Organismen, einschließlich menschlicher Organismen, sind eher einer Mischung aus Chemikalien als isolierten Einzelsubstanzen ausgesetzt.

Dennoch wird die Sicherheit von Chemikalien üblicherweise Substanz für Substanz bewertet.

Wie aber wird das Risiko bei mehreren möglichen Kombinationen aus Chemikalien beurteilt, wenn diese in einem Gemisch vereint sind?

Dies ist eine treue Zusammenfassung der führenden Berichts, der im 2015 durch Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlicht wurde: "Harmonisation of human and ecological risk assessment of combined exposure to multiple chemicals " 

  • Quelle:EFSA (2015)
  • Übersicht & Details: GreenFacts
Neuestes Update: 21 August 2019

1. Einleitung

Die Risikobewertung einer kombinierten Belastung durch verschiedene Chemikalien („chemische Gemische“) auf Mensch und Ökologie stellen Wissenschaftler, die diese Untersuchungen durchführen, und Risikobewerter, die die Daten interpretieren müssen, sowie Risikomanager, die die Verwendung von Chemikalien und deren Grenzen festlegen und Belastungen definieren, um Mensch und Umwelt in Sicherheit zu bewahren, vor einige Herausforderungen. Grund dafür ist zu einem guten Teil die große Anzahl beteiligter Chemikalien und die Tatsache, dass Menschen und Umwelt auf verschiedene Arten belastet werden und dass diese Chemikalien auf unterschiedliche Weise agieren und interagieren, sobald sie in einen Organismus eingedrungen sind.

In diesem Zusammenhang muss notwendigerweise zwischen Gefahrenerkennung, die sich auf das Erkennen intrinsischer toxischer Eigenschaften einer Chemikalie bezieht, und Risikobewertung, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von (Neben-)Wirkungen durch den Grad der Belastung sowohl hinsichtlich Intensität als auch Dauer beurteilt, unterschieden werden1.

1 Zur grundlegenden Unterscheidung zwischen den Begriffen Gefahr und Risiko siehe: www.youtube.com/watch?v=PZmNZi8bon8  Untertitel sind auf Englisch, Französisch, Deutsch, Niederländisch, Spanisch, Chinesisch und Russisch verfügbar. Eine französischsprachige Version finden Sie auch unter: https://youtu.be/wRmfvFYDNr8 

2. Welches Verfahren wird allgemein eingesetzt, um die Risiken zu bewerten, die sich aus der Belastung durch chemische Gemische ergeben?

Der üblicherweise zum Einsatz kommende konservative Ansatz besteht darin, einfach alle für die verschiedenen Substanzen eines Gemisches festgelegten Sicherheitsgrenzwerte zu addieren. Das heißt, für die Bestimmung, ob ein Gemisch sicher ist, schaut man sich die Sicherheit der einzelnen Substanzen an, und wenn jede für sich als sicher erachtet wird, gilt diese Schlussfolgerung für das gesamte Gemisch.

Wenn verschiedene Substanzen eines Gemisches dieselbe Wirkung auf denselben Endpunkt hervorrufen, haben relevante Untersuchungen die Gültigkeit der geschätzten Wirkungen durch reine Addition der verschiedenen Belastungen durch unterschiedliche Substanzen des Gemisches als (konservatives) Standard-Vorhersageverfahren für eine einfache Risikobewertung bestätigt.

Manchmal kann es jedoch zu einer Synergie zwischen zwei Substanzen kommen, zum Beispiel, wenn zwei Chemikalien interagieren, um am selben Endpunkt eine kombinierte Wirkung zu erzeugen, die sich von derjenigen einer einfachen Summierung ihrer Konzentrationen unterscheidet.

Somit können weitere Tests erforderlich werden als die für ihre separate Betrachtung, so dass diese Interaktionen in die spezifischen Risikobewertungen Eingang finden. Diese Möglichkeit kann relativ leicht bei Substanzen festgelegt werden, deren Aktionsmodus wir kennen, beispielsweise die genaue Interaktion der Substanz mit biologischen Molekülen, die für ihre „toxischen“ Eigenschaften verantwortlich ist, d. h., wenn eine Substanz ein Enzym blockiert, das zum Abbau einer anderen Substanz beiträgt. Dies ist glücklicherweise nicht oft der Fall und weitere Forschung ist in diesem Zusammenhang erforderlich.

Bei in der Wirklichkeit auftretenden Umweltgemischen zeigt der experimentelle Beweis, dass die Anzahl der für die Bestimmung einer kumulativen Wirkung relevanten Chemikalien tatsächlich sehr niedrig ist. Laut dem Bericht bestimmen normalerweise höchstens 3 oder 4 Einzelchemikalien 90 % des toxischen Potenzials eines komplexen Gemisches. Des trägt dazu bei, die Unsicherheit zwischen einer einfachen Addition von Konzentrationen und unabhängigen Aktionen zu senken und vereinfacht die Vorhersage der toxischen Reaktion des Gemisches.

3. Welche Verfahren und Werkzeuge können für die Bestimmung eines sicheren Grades der Belastung durch chemische Gemische verwendet werden?

Wenn es nur ein unzureichendes Verständnis der Mechanismen bzw. Aktionsarten und ihrer Relevanz für gemeinsame Wirkungen gibt, sind andere Ansätze erforderlich. Es gibt eine Reihe potenzieller Werkzeuge für die Gefahrenidentifikation:

  • In-vivo“-Studien, bei denen die Wirkungen von Chemikalien an Labortieren untersucht werden. Diese sind normalerweise zeitraubend und teuer, ethisch nicht gerechtfertigt und werden nur als letzter Ausweg durchgeführt;
  • In-vitro“-Studien, bei denen Gemische an isolierten Zellen getestet werden. Schneller, effizienter, aber manchmal schwierig zu interpretieren;
  • In-silico2-Studien, in denen mit Computermodellen gearbeitet wird, um die Reaktion eines Organismus auf eine bestimmte Chemikalie oder Gruppe von Chemikalien zu extrapolieren. Diese erfordern erhebliche toxikologische Datenbanken;
  • „omics“, ein neuer Ansatz, um entweder einen vollständigen Satz exprimierter Wechselwirkungen zwischen den Genen eines Organismus (Genomik), einen vollständigen Satz von in einer Zelle exprimierten Proteinen (Proteomik) oder eine Reihe anderer Sätze von Molekülen in einem biologischen System anzuschauen.
  • Probalistische Verfahren3, die gleichfalls pragmatisch wertvoll für zukünftige Bewertungen und die Vorhersage gemeinsamer Wirkungen sind. 

Da die „omics“-Ansätze sich noch im Entwicklungsstadium befinden, ist ein integrierter Ansatz, der sowohl In-vivo- als auch In-vitro- und In-silico-Verfahren berücksichtigt, insgesamt zum jetzigen Zeitpunkt am effektivsten.

2 In silico: wörtlich „in Silizium“, d. h. „am Computer“; dies bezieht sich auf Analysen oder Experimente, die in einer Rechnerumgebung und nicht im Labor durchgeführt werden.
3 Probalistisches Verfahren oder Modell: auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeit oder der Tatsache, dass der Zufall eine Rolle bei der Vorhersage zukünftiger Ereignisse spielt. Das Gegenteil ist der deterministische

4. Wie sehen die Schlussfolgerungen zum „Stand der Technik“ bei der Beurteilung der Belastungsrisiken von chemischen Gemischen aus?

Während die Komplexität der Toxizitätsbewertungen chemischer Gemische immer schon eine Herausforderung war, gab es dennoch erhebliche Fortschritte auf diesem Gebiet. Das Zusammenspiel zwischen ersten biochemischen Wechselwirkungen und der Natur der nachgeschalteten physiologischen (und somit potenziell toxischen) Reaktion wurde vielfach hervorgehoben.

Obwohl diese mit der Belastung durch chemische Gemische verbundenen Probleme auf breiter Basis anerkannt sind, konzentriert sich die aktuelle Ordnungspolitik immer noch allgemein auf die Bewertung jeder einzelnen Chemikalie in einem handelsüblichen Gemisch. Obwohl aber Gemischansätze nicht explizit in allen aktuellen verordnungsrechtlichen Zusammenhängen genannt sind, erscheinen sie immer häufiger sowohl in zukünftigen Vorschriften und nachträglichen Bewertungsstudien zu Nebenwirkungen.

In den Kernfragen rund um die Entwicklung von Modellen zur Gefahrenerkennung und Risikobelastungsbewertung chemischer Gemische können zur selben Zeit experimentelle Werkzeuge und statistische Verfahren sowie Risikobewertungsverfahren eingesetzt werden, um eine Vorhersage über gemeinsame Wirkungen zu treffen.

In diesem Zusammenhang umfassen die immer noch zu klärenden Hauptwissenslücken und Herausforderungen Folgendes:

  • Gemeinsame Grundlage für die Bewertung der Wirkungsweise;
  • Informationen über Wechselwirkungen (Einstreuungen) zwischen diesen Wirkungsweisen verschiedener Chemikalien, auch im Hinblick auf entstehende Nebenwirkungen;
  • Verfügbarkeit von Daten über die Beziehung zwischen Belastungsgraden und Nebenwirkungen (Dosis-Wirkungsdaten) in jeder einzelnen Datenbank; 
  • Trennen statistischer Unsicherheit von Variabilität, die beide jeder Risikobewertung innewohnen.

Letztendlich müssen Risikobewertungen gegebenenfalls durch Biomonitoring-Daten unterstützt werden, die die Spezifität der Belastungsreaktionen auf chemische Gemische umfassen.

In diesem Zusammenhang ist eine der Hauptwissenslücken und vor uns liegende Herausforderung die Notwendigkeit, eine gemeinsame Datenbank mit zuverlässigen Daten über Wirkungsweisen verschiedener Chemikalien und ihre gegenseitige Beeinflussung zu errichten. Dadurch wird es möglich, die von den verschiedenen Bestandteilen eines Gemisches hervorgerufenen aufeinanderfolgenden biologischen Reaktionen zu beschreiben und in eine Kette von Ursachen zu integrieren, die schließlich zur Auslösung einer Nebenwirkung, des so genannten Konzepts der Adverse Outcome Pathways (AOP ), führt.

4 Adverse outcome pathways (AOPs): veranschaulicht die lange, manchmal komplexe Kette von Verfahren und Ereignissen von der ersten Interaktion einer Chemikalie mit einer molekularen Zielstruktur (beispielsweise die Interaktion mit einem Rezeptor oder der Unterdrückung eines Enzyms) durch die gestörte Funktion auf Zell- und Gewebeebene, die schließlich zu einer spürbaren Störung der Funktion bzw. Struktur des Organismus führt und Gesundheitsstörungen beim Menschen oder bei Tieren verursacht. https://www.openaccessgovernment.org/understanding-adverse-outcome-pathway-concept/36458/


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